Idee und Motivation
Am Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Universität Oldenburg
wurde ein internationaler Master-Studiengang
Integrated
Coastal Zone Management eingerichtet.
Die Prägung dieser Ausbildung ist,
den Forschungsinteressen des Institutes entsprechend,
vorwiegend naturwissenschaftlich.
Es bestand daher ein besonderer Bedarf
an einer interdisziplinären visuellen Synopse des globalen Wandels
in Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft
sowie an allgemeinverständlicher Illustration
und Integration der Ergebnisse
der neueren maritimen und terrestrischen Umweltforschung;
s.z.B. das Buch: Lozan, Rachor, Reise, Sündermann, v.Westernhagen (Hg.)
"Warnsignale aus Nordsee und Wattenmeer", Hamburg 2003.
Thema Strukturwandel Nordwest
Der Film veranschaulicht den landschaftlichen,
kulturellen und wirtschaftlichen Wandel unserer Zeit
und läßt die Vielschichtigkeit des modernen Küstenkonflikts ahnen:
Wachstum des materiellen Versorgungsapparates,
Zunahme von Bevölkerungsdichte, Produktion und Lebensstandard,
Intensivierung und Diversifikation aller Nutzungen
von Landschaft, Meer und Küste,
Verhärtung der Küstenstrukturen, Verarmung der ökologischen Funktionen,
Unsicherheit des Potentials für künftiges Wachstum,
Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Anders als in politisch oder ökonomisch motivierter Werbung
oder in kommerziellen Kinofilmen
kommt es im akademischen Lehrfilm besonders
auf ausgewogene Darstellung aller Seiten des Konfliktes an.
Industrie und Transportwirtschaft werden sicher zu Recht
insbesondere von den Ökologen und Naturschützern
immer wieder als Bedrohung empfunden;
ebenso klar aber muß
die untrennbare existentielle Abhängigkeit
der moderne Gesellschaft
von ihrer technisch-materiellen Infrastruktur
und ihrem wirtschaftlichen Wachstum
gesehen und verstanden werden,
und ebenso klar hat die Faszination der Technik
und die Begeisterung für die schiere Macht des Apparates
ihren Platz in der Psychologie des zivilisierten Menschen.
Filmische Umsetzung
Das große Dilemma unserer Zeit
kann nur auf dreierlei Weise öffentlich rezipierbar werden,
nämlich durch Schönheit, Humor und Freiheit.
Wir haben versucht, diese drei Dinge zu kombinieren:
Erstens haben sowohl die Natur als auch die (Industrie-)Architektur
jede ihre ganz eigene Ästhetik in Farben, Strukturen
und fraktaler Selbstähnlichkeit.
Typisch für die Region ist die gewaltigen Grösse
von Fläche, Wolken und Strukturen,
sowie die scheinbare Langsamkeit weit entfernter Bewegungen.
Zweitens hat das friesische
bzw. nordwesteuropäische Kulturschaffen
in den vergangenen Jahrzehnten
eine besondere Art trockener Groteske hervorgebracht
(man denke an Otto Waalkes oder Torfrock,
aber auch jenseits der Nordsee Monty Python und Mr. Bean).
Wir haben versucht, in aller Vorsicht
eine fast unmerkliche Ahnung dieses Untertons anklingen zu lassen.
Drittens ist es weder nötig noch förderlich,
in einem Kurzfilm die gesamte politische Debatte
um die Entwicklung der Region wiederzugeben.
Die Argumente sind bekannt.
Sie zu erwähnen, bedeutet Ärger.
Wir haben uns daher
auf eine wortlose assoziative Dokumentation
beschränkt,
in der die Bilder wie im Traum vorüberziehen.
Der Film wurde auf verschiedenen akademischen Veranstaltungen gezeigt;
die anschließenden Diskussionen haben regelmäßig
das volle Spektrum der öffentlichen Meinungen reproduziert.
Entstehung
Die besonderen Produktionsbedingungen der Universität
sind, überspitzt ausgedrückt:
Begabung, Freigeist und Armut.
Der Film ist in mancher Hinsicht
für alle Beteiligten
ein Erstlingswerk, eine Laienproduktion in Eigenregie,
mit geliehener, zum Teil veralteter Ausrüstung
und Amateurtechnik.
Wir hatten das ferne, fast unmögliche Ziel
der Integration im Küstenkonflikt,
aber kein Drehbuch, keinen Plan, keine Ahnung.
Wir haben die Ideen und Formen während der Arbeit entwickelt,
ähnlich wie im Traum jedes Bild ein weiteres hervorbringt.
Wir haben bei Normal-Null angefangen
und das Filmen mit diesem Film gelernt,
deshalb können wir jetzt mit Recht behaupten,
einen Lehrfilm im doppelten Sinn geschaffen zu haben.
Wir sind dankbar für die begeisterte und großzügige
(wenn auch fast ausschließlich nicht-finanzielle)
Unterstützung vieler Menschen, Institutionen und Unternehmen.
Eine Neuaflage mit professionellen Mitteln ist im Prinzip denkbar.
Preise
Dritter Platz beim Medienworkshop der 35. Jahrestagung
des Fachverbandes Medien und Technik im Bildungsbereich
(mtb-ev),
Wien 2004;
dort außerdem Sonderpreis für den besonderen Film.
Schöpfung und Wandel
Jörn Anders
Stanislaus Müller-Härlin
Eva Müller
Wiebke Tobias
Dr. Kurt Georg Hooss
Mai 2003 - Juni 2004